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Haushaltsrede 2020/21 - Bündnis90/DIE GRÜNEN

im Rat der Wallfahrtsstadt Werl

Auch in diesem Jahr möchte ich meine Rede mit einem Dank an die Verwaltung für die gute Zusammenarbeit beginnen. Trotz knapper personeller Aussstattung und einer zunehmenden Zahl von Aufgaben unterstützt die Verwaltung die Arbeit der politi-schen Gremien entsprechend ihrer Möglichkeiten.

Das Jahr 2019 war bisher vor allem durch das steigende Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für die Bedeutung des Klimawandels geprägt. Auch in Werl hat sich eine entsprechende Initiative gebildet. Nach einer Phase der Mobilisierung, in der vor allem die Dramatik der Veränderung vor Augen geführt wurde, muss jetzt eine Phase des konkreten Handelns beginnen. Das Ergebnis der Europawahl, die Friday-for Future-Demos, die weit verbreitete Kritik am Klima-„Päckchen“ der Bundesregierung und nicht zuletzt die rege Beteiligung beim Bürgerforum im Werler Bahnhof mit einer riesigen Fülle von Ideen, zeigt was Bürgerinnen und Bürger von der Politik erwarten. Und es zeigt sich auch, dass es viele Möglichkeiten gibt, im kommunalen Bereich zu handeln ohne auf Landes- oder Bundesgesetzgebung warten zu müssen

Auf Grund der im Spätsommer 2020 anstehenden Kommunalwahl wurde diesmal für die Jahre 2020/21 ein Doppelhaushalt aufgestellt. Dieses Vorgehen halten wir für sinnvoll, um nicht Ende 2020 unter Zeitdruck zu geraten.

Nachdem im Sommer dieses Jahres der Antrag zur Ausrufung des Klimanotstands von der Ratsmehrheit abgelehnt wurde, haben wir als Grüne versucht, über zahlreiche Anträge den kommenden Haushalt auf das Bremsen des Klimawandels auzurichten. In Anbetracht der hohen Dynamik und der notwendigen tiefgreifenden Verände-rungen halten wir schnelles Handeln für geboten. Jetzt für zwei weitere Jahre nach dem Motto „Weiter so und wir schauen mal“ vorzugehen, halten wir für falsch.Im Folgenden werde ich auf einzelne Punkte im Detail eingehen.

Auch für 2020/21 sehen wir uns bei der Kreisumlage wieder mit großen Steigerungen konfrontiert. Eine Stellungnahme der Bürgermeister wie in den vergangenen Jahren haben wir vermisst. Ein Punkt, der die Kreisumlage steigen lässt, ist die Verdoppelung der Subventionen für den Flughafen Paderborn-Lippstadt. Gerade in einem Jahr, in dem der Klimawandel das dominierende Thema ist, ist das ein völlig falsches Signal. Für die Wirtschaft ist die Bedeutung dieses Flughafens überschaubar. Viele Unter-nehmen unterbinden bereits heute – aus Gründen des Klimaschutzes, aber auch aus Kostengründen – über Reiserichtlinien oder individuelle Vorgaben die Nutzung von Inlandsflügen. Langsam, aber allmählich, verbessert sich die Bahnanbindung der Region wieder und nach eigener langjähriger Erfahrung ist es inzwischen gut möglich auf Flugverbindungen ab Paderborn-Lippstadt zu verzichten.

Bei der Mobilität im Nahbereich vermissen wir ein deutliches Bekenntnis zum Fahrrad. Während im Jahre 2019 für den Autoverkehr ein durch ein Büro für Verkehrsplanung erstelltes Gutachten vorgestellt wurde, konnten wir für den Fahrradverkehr auf die ehrenamtliche Arbeit im AK Rad und auf eine als studentische Arbeit erstellte Studie zurückgreifen. An Stelle diesen Stückwerks hätten wir uns ein einheitliches Verkehrskonzept aus einem Guss gewünscht, das die Interessen aller Verkehrteilnehmer und Verkehrsteilnehmerinnen gerecht berücksichtigt. Unserem Antrag, im Haushalt 2020/21 nennenswerte Mittel zur Verbesserung der Fahrradmobilität einzustellen, wurde nicht gefolgt. Wie schnell ein Angebot hier Wirkung zeigt, lässt sich morgens gut am Werler Bahnhof beobachten. Die hier kürzlich errichtete Fahrradabstellanlage wird intensiv genutzt.

Wir sehen auch immer mehr Ladesäulen für E-Fahrzeuge im öffentlichen Raum. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass solche Maßnahmen wenig praktikabel sind und vor allem Feigenblatt sind, um Aktivität vorzutäuschen. Am Bahnhof für vier Stunden an einer Ladesäule parken und laden zu können, dürfte nur für einen kleinen Bruchteil der Pendelnden ein sinnvolles Angebot sein. Viel effektiver ist Elektromobilität dort, wo Fahrzeug-Flotten tagtäglich über viele Stunden im kommerziellen Einsatz sind. Darauf zielte unser Antrag zur Beschaffung von klimafreundlichen Fahrzeugen für den städtischen Fuhrpark und den KBW ab. Hier gehts es natürlich nur um sowieso anstehende Ersatzbeschaffungen. Da neu angeschaffte Fahrzeuge in der Regel lange im Einsatz bleiben, wird ein jetzt neu angeschafftes Diesel-Fahrzeug auch noch im Jahre 2030 die Treibhausgasbilanz belasten. Unserem Antrag wurd hier nur insofern gefolgt, als das die Umstellung auf einen klimafreundlichen Fuhrpark als strategisches Ziel im Haushalt verankert wurde. Ein Mehrbedarf an Mitteln für die anfänglich höhere Investition wurde nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der Fahrzeuge des KBW gab es positive Signale bezüglich der kleinen Fahrzeuge. Bei den Müllsammelfahzeugen wurden lediglich Erdgasfahrzeuge als Alternative betrachtet und schließlich verworfen. Das inzwischen vorhandene Angebot an Fahrzeugen mit Elektroantrieb für diese Anwendung wurde ignoriert. Wir sehen es nicht als Aufgabe der Politik, hier nach Art des „Micromanagements“ die Verwaltung zu gängeln, sondern wir erwarten vielmehr die Schaffung ausreichender Ressourcen und die Entwicklung von Eigeninitiative seitens der Verwaltung, um solche Vorgaben selbstständig entscheidungsreif vorzubereiten. Ohne ein weitere Steigerung des Anteils Erneuerbarer Energie bei der Stromerzeugung ist der Umstieg auf Elektrofahrzeuge jedoch wenig hilfreich. Der größte Hebel wäre hier natürlich die Beseitigung der Hindernisse für den weiteren Ausbau der Windenergie an Land und sinnvolles Repowering. Hier sind die kommunalen Möglichkeiten jedoch begrenzt. Anders dagegen ist die Situation bei der Photovoltaik. Hier hat die Stadt zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten. Zum einen ist die Stadt Eigentümerin vieler Gebäude, etwa von Rathaus, Schulen, Turnhallen und Betriebshöfen, und sie hat die Möglichkeit deren Dachflächen entweder selbst zu nutzen oder an Betreiber zu verpachten. Zum anderen sollte die Stadt als Gesellschafterin der Stadtwerke sicherstellen, dass private PV-Anlagen ohne Einschränkung durch Netzkapazitäten angeschlossen werden können. Auch über das Planungsrecht könnte bei der Ausweisung neuer Baugebiete oder durch den Wegfall von Beschränkungen in der Altstadt der private Zubau von PV-Anlagen gefördert werden. Wir haben den Antrag gestellt, den Ausbau der Photovoltaik zum strategischen Ziel zu machen und Mittel zur Förderung der Planung bereitszustellen. Auch hier wurde die Einstellung zusätzlicher Mittel verwehrt.

Bei Gebäuden wirken die heute getroffenen Investitionsentscheidungen noch langfristiger als bei Fahrzeugen. Heizsysteme bleiben meist über 20 Jahre in Betrieb und die Gebäudehülle bleibt in der Regel noch länger unverändert. Daher muss man schon jetzt die Ziele für 2040 oder 2050 berücksichtigen, sonst drohen in Zukunft aufwändige Umrüstungen oder ein Ausweichen auf teure, künstlich hergestellte klimaneutrale Ersatzbrennstoffe. Holz als Baustoff und Brennstoff würde hier eine wirklich nachhaltige und zukunftssichere Lösung darstellen. Ein Silo mit Pellets, Hackschnitzeln oder auch Miscanthus wird auch in Jahrzehnten noch die preisgünstigste Art sein, Eneuerbare Energie für die dunkle und kalte Jahreszeit zu speichern. Statt uns schnell und flexibel den neuen Anforderungen anzupassen, setzen wir nun in Werl jahrelang verschleppte Vorhaben nach alten Plänen um. Nachdem ich einige spezielle Aspekte zum Umgang unserer Kommune mit den Herausforderungen des Klimawandels behandelt habe, möchte ich nun die Perspektive erweitern, ohne aber das Thema Klima ganz zu verlassen. Die nun eingetretene endgültige Insolvenz von Kettler wird mit Sicherheit - über die Umlage aus der Einkommenssteuer und die Kaufkraft - auf die Einnahmeseite unseres Haushalts wirken. Wir sollten das Unvermeidliche jetzt aber als Chance sehen. Es werden in bestehenden Industriegebieten Flächen frei, die möglichst schnell neuen Nutzungen zugeführt werden sollten. Das würde rasch neue Arbeitsplätze schaffen, Investitionen in den Ausbau neuer Industrie- und Gewerbegebiete überflüssig machen und –last but not least- den Verlust und die Versiegelung weiterer Acker-, Weide- und Naturflächen vermeiden. Wir können hier nur an die Stiftung und die Verwaltung appellieren, möglichst schnell eine Nachnutzung in die Wege zu leiten. Wir jedenfalls werden uns der Ausweisung neuer Flächen verweigern, solange nicht wesentliche Teile hier einer Nachnutzung zugeführt wurden. Neubau und Sanierung von Schulen und Turnhallen sind ebenfalls ein wichtiges Thema, um Werl zukunftsfähig zu machen. Leider sehen wir hier - auch abgesehen vom CO2- Fußabdruck - viele Missstände. Trotz hoher Planungskosten kommt es immer wieder zu neuen Überraschungen, die weitere Verzögerungen und Kostensteigerungen nach sich ziehen. Die Ungleichbehandlung der Grundschulen führt nun dazu, dass an der Petrischule anders als geplant nur zwei Eingangsklassen gebildet werden können, weil Eltern Ihre Kinder nicht auf eine Schule schicken wollen, die noch über Jahre Baustelle bleibt und dann schließlich und endlich doch nur über eine sehr aufwändig sanierte, aber nicht über eine neue Turnhalle verfügen wird. Auch bei der geplanten IT-Vernetzung der Schulen sehen wir leider ein ähnliches Muster. Hohe Planungskosten und lange Planungszeiten sowie hohe Kosten für die Erstausstattung, aber keinerlei Ressourcen für nachhaltige Nutzung und den Funktionserhalt. Ist das so teuer, weil hier das Rad neu erfunden werden muss ? Warum greift man nicht auf Unternehmen zurück, die sich auf diesen Markt spezialisiert haben und schon viele Referenzen vorweisen können ?

Natürlich fragen wir uns auch, warum viele Dinge nur so schleppend und unzureichend umgesetzt werden können. Nachdem die „schlanke Verwaltung“ während der Jahre der Haushaltssicherung nur den Mangel verwaltet hat, fehlen nun die personellen Ressourcen, die jetzt notwendigen Veränderungen umzusetzen und die notwendigen Investitionsprojekte effektiv umsetzen zu können. Und leider ist nicht abzusehen, das sich die Lage bessern wird. Weitere erfahrene Mitarbeiter werden bald in den Ruhestand gehen und Nachwuchskräfte mit Potential verlassen die Verwaltung. Ein Plan zurm nachhaltigen Personalaufbau entsprechend den anstehenden Aufgaben und zur Entwicklung und Gewinnung neuer Führungskräfte ist dringend nötig, um handlungsfähig zu bleiben.

Wir müssen uns alle bewusst werden, dass die Sicherung der Zukunftsfähigkeit sowohl im globalen Kontext als auch lokal in unserer Stadt nicht zum Nulltarif zu haben ist. Wer das verspricht, wer auf notwendige, langwierige Analysen oder lediglich auf technische Entwicklungen in der Zukunft verweist, statt jetzt zu handeln, handelt grob fahrlässig.

Die Haushaltsberatungen in den Ausschüssen haben gezeigt, das es der Ratsmehrheit bei der Ablehnung des Antrags zum Klimanotstand nicht wie behauptet um die Vermeidung des zwiespältigen Begriffs „Notstand“ ging, sondern dass man einfach beim „weiter wie bisher“ bleiben will. Einfach ein bisschen Prosa aus unseren Anträgen als strategisches Ziel in den Haushalt zu übernehmen, ohne dass auch entsprechende Mittel im Zahlenwerk eingeplant werden, reicht uns nicht. Wir werden daher den Haushalt 2020/21 ablehnen.

Uwe Jansen