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Haushaltsrede 2024 - Bündnis90/DIE GRÜNEN

im Rat der Wallfahrtsstadt Werl

Auch in diesem Jahr möchte ich meine Rede mit einem Dank an die Verwaltung für die Unterstützung der Gremienarbeit und die Umsetzung der Beschlüsse beginnen. Wir geraten immer noch von einer Krise in die nächste und diesmal ist der Angriff auf unseren IT-Dienstleister SIT, der neue Herausforderungen und Belastungen schafft. Wenig Verständnis habe ich jedoch für die Entscheidung der Verwaltungsspitze, trotzdem die Haushaltsberatungen nach dem ursprünglichen Zeitplan durchzuziehen. Wären die Ressourcen der Verwaltung nicht besser eingesetzt, um die Arbeitsfähigkeit für die Bürger und Bürgerinnen trotz IT-Ausfall möglichst weitgehend aufrechtzuerhalten? Trotz der Bemühungen der Verwaltung sind die Haushaltsberatungen durch den IT- Ausfall massiv behindert und wir können die Diskussion nicht so führen wie sonst. Wir sind uns natürlich bewusst, das wir bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im Rat wenig verändern können, aber es ist für uns schon wichtig, alternative Handlungsoptionen aufzuzeigen und Fehlentwicklungen anzuprangern. Da hätten wir schon gerne mal den ein oder anderen Sachverhalt in alten Vorlagen und Protokollen im Ratsinformationsystem recherchiert.

Der Haushalt 2024 ist geprägt durch das Fortschreiben großer Investionsprojekte, bei denen mit den knappen Ressourcen der Verwaltung große Summen bewegt werden. Dort wo es eher um punktuelle Maßnahmen geht, die nur geringe Mittel erfordern, aber viel Planungsarbeit machen, etwa der fahrradfreundlichen Gestaltung von Verkehrsknotenpunkten, wird mit der Begründung der fehlenden Ressourcen abgewiegelt. Für die Bürger, die sich jahrelang mit hohem Einsatz im Arbeitskreis um Verbesserungsvorschläge bemüht haben und auch für alle, die beim Stadtradeln per App ihre Strecken gemeldet haben, ist das frustrierend. Dieses Beispiel zeigt exemplarisch, was wir auch an vielen anderen Entscheidungen sehen: anders als in vielen anderen Kommunen wird hier der Kampf gegen die Klimakrise nicht als kommunale Aufgabe gesehen. Und was mit „Mobilitätswende“ gemeint ist, wurde anscheinend auch nicht verstanden. Nein, hier wird nach dem Schema „weiter wie bisher“ geplant:

  • Straßen und Parkplätze für immer größere werdende Autos
  • Wohngebiete, wo große Flächen nur für die verkehrliche Erschließung mittels PKW versiegelt werden
  • Wohngebiete unmittelbar an einer Fernwärmetrasse mit Heizwärme aus Biomasse ohne Anschluss an dieselbe
  • Gewerbegebiete, wo einfach und billig auf der „grünen Wiese“ geplant werden kann

Warum wird so rückwärtsgewandt entschieden? Es geht immer nur um die Sicherung der städtischen Finanzen:

  • Bloß keinen potentiellen Investor verschrecken
  • Möglichst große Flächen aus städtischem Eigentum verkaufen
  • Mehr Grundsteuereinnahmen
  • Lieber Umsatz und Gewinn für die Stadtwerke als für einen Fernwärmebetreiber, an dem man leider keine Anteile hat

Dabei gibt es schon zahlreiche Beispiele dafür, dass auch und besonders mit nachhaltigem Handeln gute Gewinne zu erwirtschaften sind. Gewerbe,die wir dringend brauchen, etwa Sanitär- und Heizungsbaubetriebe, hätten wir auch gut in bestehenden Flächen ansiedeln können. Aber dort wurde inzwischen ein Freiflächen-PV errichtet, während immer noch die meisten Dachflächen auf bestehenden Logistikhallen ungenutzt sind. Und unsere Stadt schmückt sich mit zwei Großwaschanlagen von denen nach Aussage der Betreiber keine derzeit die wirtschaftlichen Erwartungen erfüllt. Wenn so verschwenderisch mit dem knappen Gut Boden umgegangen wird, ist es kein Wunder, dass es den Unmut der Bürger*Innen heraufbeschwört, wenn neue Flächen erschlossen werden sollen. Auch beim Thema Windenergie wird mit dem Blick auf den städtischen Haushalt Potential verschenkt. Hier wird – in der Hoffnung sich mit geliehenem Geld gewinnbringend beteiligen zu können – verzögert, anstatt im Rahmen der bestehenden Regelungen schon jetzt weitere Flächen auszuweisen und den Bürger*Innen unmittelbar eine finanzielle Beteiligungsmöglichkeit, etwa über eine Genossenschaft, zu bieten.

Nachwievor wäre aus unserer Sicht eine Senkung der Hebesatzes für die Grundsteuer B angemessen gewesen, zumindest in dem Maße wie durch die Erschließung weiterer Bau- und Gewerbegebiete mehr und mehr Flächen mit der Grundsteuer B belastet werden. Die meisten anderen Parteien habe ihre früheren Versprechungen hierzu anscheinend vergessen.

Wir werden daher den Haushalt 2024 ablehnen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Uwe Jansen

Haushaltsrede 2023

Bündnis90/DIE GRÜNEN im Rat der Wallfahrtsstadt Werl

Auch in diesem Jahr möchte ich meine Rede mit einem Dank an die Verwaltung für die Unterstützung der Gremienarbeit und die Umsetzung der Beschlüsse beginnen. Insbesondere die Geduld, hier teilweise bis nach 22:00 mit uns auszuharren, bedarf besonderer Erwähnung. In Zeiten, in denen wir von einer Krise in die nächste geraten, macht sich jedoch die knappe Personalausstattung immer mehr bemerkbar. Daher ein besonderer Dank an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die hier besonderen Einsatz, z.B. für die Unterbringung der Geflüchteten aus der Ukraine, gezeigt haben. Zur allgemeinen Personalsituation aber später mehr. Die Aufstellung des Haushalts 2023 ist durch die aktuelle Situation mit vielen Unsicherheiten behaftet. Wir wissen nicht, ob diesen Winter noch eine heftige Corona-Welle oder ein andere, bedrohliche Infektionswelle zu erwarten ist. Auch die Lage in der Ukraine, weitere daraus resultierende Fluchtbewegungen sowie Einschränkungen für unsere Energieversorgung sind nicht seriös vorhersagbar. Ebenso wenig ist die weitere Entwicklung der Kreditzinsen planbar. Sicher ist nur, dass wir in 2023 zumindest einen großen Teil unserer Rücklagen aufbrauchen werden. Dass sich das heute noch nicht in unserem Haushalt spiegelt, ist lediglich den neuesten Innovationen in der Buchhaltung, wie „Sondervermögen“ und „Vorgaben zur Isolierung Coronabedingter Mehrausgaben“ verdanken, die auf Bundes- und Landesebene entwickelt wurden. Aber auch das Bewusstsein, dass wir eigentlich schon längst tiefrote Zahlen schreiben, darf nach unserer Sicht aber nicht zu einem Stillstand in der Politik, insbesondere bei den Klimaschutzmaßnahmen führen. Ich würde gerne noch auf die Kreisumlage und die Jugendamtsumlage eingehen, aber diese Zahlen liegen derzeit noch nicht vor. Trotz der schwer überschaubaren Finanzlage der Stadt hätten wir den Bürgern gerne über eine moderate Senkung des Hebesatzes für die Grundsteuer B signalisiert, dass die Zeit der Haushaltskonsolidierung, für die der Satz einst erhöht wurde, nun vorbei ist. Außerdem werden mit der Erschließung weiterer Bau- und Gewerbegebiete mehr und mehr Flächen mit der Grundsteuer B belastet und so Mindereinnahmen teilweise kompensiert. Die meisten anderen Pateien habe ihre früheren Versprechungen hierzu anscheinend vergessen.

Zu den kommunalen Werler Aktivitäten zum Klimaschutz möchte ich einen Vergleich mit der Reformbewegung in der katholischen Kirche, dem synodalen Weg, heranziehen. Der Theologe und Kirchenrechtler Norbert Lüdecke äußerte sich kürzlich wie folgt: „Die erträumten Reformen sind in der katholischen Kirche gar nicht möglich. Das bleibt ein Rundweg, den die Bischöfe angelegt haben, um Widerständigkeiten zu ermüden.“ Nun lassen Sie mich dies auf den Klimaschutz in Werl übertragen.:

  • In dieser Wahlperiode haben wir erstmals einen Umwelt- und Klimaauschuss. Hierzu wurden Themen aus dem bisherigen Planungs-, Bau- und Umweltausschuss herausgelöst. Die Entscheidung über die Vergabe des Werler Umweltpreises ist aber die einzige, die hier wirklich getroffen werden kann. Alle anderen wichtigen Entscheidungen sind in der Zuständigkeit des bisherigen Ausschusses verblieben.
  • Wir haben jetzt auch einen Klimamanager, aber dieser hat ähnlich wenig Einflussmöglichkeiten wie der Umwelt- und Klimaausschuss. Alle aktuellen Planungen setzen nach wie vor auf den motorisierten Individualverkehr und priorisieren Geldflüsse in den städtischen Haushalt gegenüber der Vermeidung von Treibhausgasen und der Klimafolgenanpassung.
  • Für das Nahversorgungszentrum am Bahnhof haben wir sowohl auf dem Gelände selbst als auch bei den Zufahrten eine nahezu vollständig an die Bedürfnisse des Autoverkehrs angepasste Planung. Alle Vorschläge, hier Fußgänger und Radfahrer mehr zu berücksichtigen, wurden mit Hinweis auf die Interessen der Investoren verworfen.
  • Bei der Planung des Wohngebietes Werl Nord III setzt die Stadt auf Lösungen mit elektrischen Wärmepumpen, obwohl eine Leitung des Biomasse-Heizkraftwerks der STEAG unmittelbar unter dem Langenwiedenweg am Gebiet vorbeiläuft. Gerade mit Blick auf die jüngsten Steigerungen beim Strompreis ist dies auch aus der Sicht der potentiellen Käufer eine sehr fragwürdige Entscheidung.
  • Das Wohngebiet Werl Süd II wurde reichlich mit öffentlichen Parkplätzen ausgestattet. Aber der Wunsch nach einem drittem Baum im öffentlichen Raum führt schon zu langwierigen Diskussionen.
  • Die Planung von Standorten für Windenergieanlagen im Stadtgebiet, im vergangenen Jahr von der CDU in den Haushalt eingebracht, wird nun, mit Verweis auf kommende Veränderungen an den übergeordneten Vorgaben, auf die lange Bank geschoben.
  • Die Planung von Freiflächen-PV im Gewerbegebiet, sowohl durch private als auch durch die Stadtwerke erscheinen als Bekenntnis zum Klimaschutz. Aber wenn wir solche Anlagen im Gewerbegebiet einrichten, zieht das zwangsläufig die Forderung nach Erschließung neuer Gewerbegebiete nach sich. Viel besser wären hier Maßnahmen, die die Nutzung bisher brachliegender Dachflächen vorhandener Gebäude fördern.
  • Statt bereits konkrete Maßnahmen im Rahmen der laufenden Planung umzusetzen wird immer wieder auf die – nach Möglichkeit geförderte - Erstellung von Konzepten gesetzt. Langfristig durchdachte Planungen sind wichtig, aber davon darf man sich nicht davon abhalten lassen, ohne Zweifel sinnvolle Maßnahmen sofort umzusetzen. Jeder, der sich ernsthaft um Klimaschutz bemüht, muss auch hier den Eindruck haben, der Sinn des Ganzen sei auch nur, ihn und seine Mitstreiter zu zermürben und auf einem Rundweg zu ermüden.

Nun noch einige Aspekte zur Ausgabenseite und zur Umsetzung von Planungen. Wir wundern uns sehr häufig, wieso im Laufe des Jahres immer wieder Mehrausgaben auftreten und andererseits auch immer wieder Mittel gefunden werden, diese Mehrausgaben zu decken. Lassen Sie mich mit dem Zweiten beginnen. Ganz oft heißt es, Geld aus einem Vorhaben steht für etwas anderes zur Verfügung, weil die Maßnahme im laufenden Haushaltsjahr nicht mehr umgesetzt werden kann. Das kann natürlich passieren. Wir wundern uns aber schon, wenn solche Projekte in vollem Bewusstsein in den Haushalt eingestellt werden, etwa am Beispiel der Kämperstraße, bei der die Straßendecke im städtischen Haushalt für 2023 geplant wird, während der Kanal dort laut Planung des Kommunalbetriebs erst 2024 gebaut wird. Die Mehrausgaben bei Bau- oder Abbruchvorhaben resultieren zum Teil aus Materialkostensteigerungen, die jeden Bauherrn treffen, zum Teil aber auch aus unzureichenden Planungen oder aus dem überraschenden Fund von belastenden Materialien oder schützenswerten Tieren. Wir würden uns hier ausreichend Personal für bessere Planung und Vergabe sowie für Kontrolle und Verhandlungen mit den Auftragnehmern wünschen, um zu vermeiden, dass wir hier „über den Tisch gezogen“ werden. Neben den Abbrucharbeiten scheint auch die kommunikationstechnische Ausstattung von Schulen, etwa zur Versorgung mit WLAN oder Lautsprecheranlagen, die auch für Notfälle ausgelegt sind, ein Feld zu sein, in dem wir über unzureichende eigene Ressourcen verfügen. Wenn die Planstellen da sind, müssen wir uns fragen, warum es nicht gelingt, diese adäquat zu besetzen. Und wenn dies nicht gelingt, müssen wir Prioritäten setzen und vielleicht auch mal auf das ein oder andere Förderprojekt verzichten, wenn es zu viele Ressourcen bindet und die Kostensteigerungsrisiken zu 100% bei uns bleiben.

Die Diskussionen im vergangenen Jahr und die Haushaltsberatungen in den Ausschüssen haben gezeigt, dass die Ratsmehrheit nicht zu durchgreifenden Veränderungen bereit ist, weder in Sachen Klimaschutz und Klimaresilienz noch hinsichtlich einer Stärkung der Verwaltung. Wir werden daher den Haushalt 2023 ablehnen. Es gilt das gesprochene Wort.

Uwe Jansen

Haushaltsrede 2020/21 - Bündnis90/DIE GRÜNEN

im Rat der Wallfahrtsstadt Werl

Auch in diesem Jahr möchte ich meine Rede mit einem Dank an die Verwaltung für die gute Zusammenarbeit beginnen. Trotz knapper personeller Aussstattung und einer zunehmenden Zahl von Aufgaben unterstützt die Verwaltung die Arbeit der politi-schen Gremien entsprechend ihrer Möglichkeiten.

Das Jahr 2019 war bisher vor allem durch das steigende Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für die Bedeutung des Klimawandels geprägt. Auch in Werl hat sich eine entsprechende Initiative gebildet. Nach einer Phase der Mobilisierung, in der vor allem die Dramatik der Veränderung vor Augen geführt wurde, muss jetzt eine Phase des konkreten Handelns beginnen. Das Ergebnis der Europawahl, die Friday-for Future-Demos, die weit verbreitete Kritik am Klima-„Päckchen“ der Bundesregierung und nicht zuletzt die rege Beteiligung beim Bürgerforum im Werler Bahnhof mit einer riesigen Fülle von Ideen, zeigt was Bürgerinnen und Bürger von der Politik erwarten. Und es zeigt sich auch, dass es viele Möglichkeiten gibt, im kommunalen Bereich zu handeln ohne auf Landes- oder Bundesgesetzgebung warten zu müssen

Auf Grund der im Spätsommer 2020 anstehenden Kommunalwahl wurde diesmal für die Jahre 2020/21 ein Doppelhaushalt aufgestellt. Dieses Vorgehen halten wir für sinnvoll, um nicht Ende 2020 unter Zeitdruck zu geraten.

Nachdem im Sommer dieses Jahres der Antrag zur Ausrufung des Klimanotstands von der Ratsmehrheit abgelehnt wurde, haben wir als Grüne versucht, über zahlreiche Anträge den kommenden Haushalt auf das Bremsen des Klimawandels auzurichten. In Anbetracht der hohen Dynamik und der notwendigen tiefgreifenden Verände-rungen halten wir schnelles Handeln für geboten. Jetzt für zwei weitere Jahre nach dem Motto „Weiter so und wir schauen mal“ vorzugehen, halten wir für falsch.Im Folgenden werde ich auf einzelne Punkte im Detail eingehen.

Auch für 2020/21 sehen wir uns bei der Kreisumlage wieder mit großen Steigerungen konfrontiert. Eine Stellungnahme der Bürgermeister wie in den vergangenen Jahren haben wir vermisst. Ein Punkt, der die Kreisumlage steigen lässt, ist die Verdoppelung der Subventionen für den Flughafen Paderborn-Lippstadt. Gerade in einem Jahr, in dem der Klimawandel das dominierende Thema ist, ist das ein völlig falsches Signal. Für die Wirtschaft ist die Bedeutung dieses Flughafens überschaubar. Viele Unter-nehmen unterbinden bereits heute – aus Gründen des Klimaschutzes, aber auch aus Kostengründen – über Reiserichtlinien oder individuelle Vorgaben die Nutzung von Inlandsflügen. Langsam, aber allmählich, verbessert sich die Bahnanbindung der Region wieder und nach eigener langjähriger Erfahrung ist es inzwischen gut möglich auf Flugverbindungen ab Paderborn-Lippstadt zu verzichten.

Bei der Mobilität im Nahbereich vermissen wir ein deutliches Bekenntnis zum Fahrrad. Während im Jahre 2019 für den Autoverkehr ein durch ein Büro für Verkehrsplanung erstelltes Gutachten vorgestellt wurde, konnten wir für den Fahrradverkehr auf die ehrenamtliche Arbeit im AK Rad und auf eine als studentische Arbeit erstellte Studie zurückgreifen. An Stelle diesen Stückwerks hätten wir uns ein einheitliches Verkehrskonzept aus einem Guss gewünscht, das die Interessen aller Verkehrteilnehmer und Verkehrsteilnehmerinnen gerecht berücksichtigt. Unserem Antrag, im Haushalt 2020/21 nennenswerte Mittel zur Verbesserung der Fahrradmobilität einzustellen, wurde nicht gefolgt. Wie schnell ein Angebot hier Wirkung zeigt, lässt sich morgens gut am Werler Bahnhof beobachten. Die hier kürzlich errichtete Fahrradabstellanlage wird intensiv genutzt.

Wir sehen auch immer mehr Ladesäulen für E-Fahrzeuge im öffentlichen Raum. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass solche Maßnahmen wenig praktikabel sind und vor allem Feigenblatt sind, um Aktivität vorzutäuschen. Am Bahnhof für vier Stunden an einer Ladesäule parken und laden zu können, dürfte nur für einen kleinen Bruchteil der Pendelnden ein sinnvolles Angebot sein. Viel effektiver ist Elektromobilität dort, wo Fahrzeug-Flotten tagtäglich über viele Stunden im kommerziellen Einsatz sind. Darauf zielte unser Antrag zur Beschaffung von klimafreundlichen Fahrzeugen für den städtischen Fuhrpark und den KBW ab. Hier gehts es natürlich nur um sowieso anstehende Ersatzbeschaffungen. Da neu angeschaffte Fahrzeuge in der Regel lange im Einsatz bleiben, wird ein jetzt neu angeschafftes Diesel-Fahrzeug auch noch im Jahre 2030 die Treibhausgasbilanz belasten. Unserem Antrag wurd hier nur insofern gefolgt, als das die Umstellung auf einen klimafreundlichen Fuhrpark als strategisches Ziel im Haushalt verankert wurde. Ein Mehrbedarf an Mitteln für die anfänglich höhere Investition wurde nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der Fahrzeuge des KBW gab es positive Signale bezüglich der kleinen Fahrzeuge. Bei den Müllsammelfahzeugen wurden lediglich Erdgasfahrzeuge als Alternative betrachtet und schließlich verworfen. Das inzwischen vorhandene Angebot an Fahrzeugen mit Elektroantrieb für diese Anwendung wurde ignoriert. Wir sehen es nicht als Aufgabe der Politik, hier nach Art des „Micromanagements“ die Verwaltung zu gängeln, sondern wir erwarten vielmehr die Schaffung ausreichender Ressourcen und die Entwicklung von Eigeninitiative seitens der Verwaltung, um solche Vorgaben selbstständig entscheidungsreif vorzubereiten. Ohne ein weitere Steigerung des Anteils Erneuerbarer Energie bei der Stromerzeugung ist der Umstieg auf Elektrofahrzeuge jedoch wenig hilfreich. Der größte Hebel wäre hier natürlich die Beseitigung der Hindernisse für den weiteren Ausbau der Windenergie an Land und sinnvolles Repowering. Hier sind die kommunalen Möglichkeiten jedoch begrenzt. Anders dagegen ist die Situation bei der Photovoltaik. Hier hat die Stadt zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten. Zum einen ist die Stadt Eigentümerin vieler Gebäude, etwa von Rathaus, Schulen, Turnhallen und Betriebshöfen, und sie hat die Möglichkeit deren Dachflächen entweder selbst zu nutzen oder an Betreiber zu verpachten. Zum anderen sollte die Stadt als Gesellschafterin der Stadtwerke sicherstellen, dass private PV-Anlagen ohne Einschränkung durch Netzkapazitäten angeschlossen werden können. Auch über das Planungsrecht könnte bei der Ausweisung neuer Baugebiete oder durch den Wegfall von Beschränkungen in der Altstadt der private Zubau von PV-Anlagen gefördert werden. Wir haben den Antrag gestellt, den Ausbau der Photovoltaik zum strategischen Ziel zu machen und Mittel zur Förderung der Planung bereitszustellen. Auch hier wurde die Einstellung zusätzlicher Mittel verwehrt.

Bei Gebäuden wirken die heute getroffenen Investitionsentscheidungen noch langfristiger als bei Fahrzeugen. Heizsysteme bleiben meist über 20 Jahre in Betrieb und die Gebäudehülle bleibt in der Regel noch länger unverändert. Daher muss man schon jetzt die Ziele für 2040 oder 2050 berücksichtigen, sonst drohen in Zukunft aufwändige Umrüstungen oder ein Ausweichen auf teure, künstlich hergestellte klimaneutrale Ersatzbrennstoffe. Holz als Baustoff und Brennstoff würde hier eine wirklich nachhaltige und zukunftssichere Lösung darstellen. Ein Silo mit Pellets, Hackschnitzeln oder auch Miscanthus wird auch in Jahrzehnten noch die preisgünstigste Art sein, Eneuerbare Energie für die dunkle und kalte Jahreszeit zu speichern. Statt uns schnell und flexibel den neuen Anforderungen anzupassen, setzen wir nun in Werl jahrelang verschleppte Vorhaben nach alten Plänen um. Nachdem ich einige spezielle Aspekte zum Umgang unserer Kommune mit den Herausforderungen des Klimawandels behandelt habe, möchte ich nun die Perspektive erweitern, ohne aber das Thema Klima ganz zu verlassen. Die nun eingetretene endgültige Insolvenz von Kettler wird mit Sicherheit - über die Umlage aus der Einkommenssteuer und die Kaufkraft - auf die Einnahmeseite unseres Haushalts wirken. Wir sollten das Unvermeidliche jetzt aber als Chance sehen. Es werden in bestehenden Industriegebieten Flächen frei, die möglichst schnell neuen Nutzungen zugeführt werden sollten. Das würde rasch neue Arbeitsplätze schaffen, Investitionen in den Ausbau neuer Industrie- und Gewerbegebiete überflüssig machen und –last but not least- den Verlust und die Versiegelung weiterer Acker-, Weide- und Naturflächen vermeiden. Wir können hier nur an die Stiftung und die Verwaltung appellieren, möglichst schnell eine Nachnutzung in die Wege zu leiten. Wir jedenfalls werden uns der Ausweisung neuer Flächen verweigern, solange nicht wesentliche Teile hier einer Nachnutzung zugeführt wurden. Neubau und Sanierung von Schulen und Turnhallen sind ebenfalls ein wichtiges Thema, um Werl zukunftsfähig zu machen. Leider sehen wir hier - auch abgesehen vom CO2- Fußabdruck - viele Missstände. Trotz hoher Planungskosten kommt es immer wieder zu neuen Überraschungen, die weitere Verzögerungen und Kostensteigerungen nach sich ziehen. Die Ungleichbehandlung der Grundschulen führt nun dazu, dass an der Petrischule anders als geplant nur zwei Eingangsklassen gebildet werden können, weil Eltern Ihre Kinder nicht auf eine Schule schicken wollen, die noch über Jahre Baustelle bleibt und dann schließlich und endlich doch nur über eine sehr aufwändig sanierte, aber nicht über eine neue Turnhalle verfügen wird. Auch bei der geplanten IT-Vernetzung der Schulen sehen wir leider ein ähnliches Muster. Hohe Planungskosten und lange Planungszeiten sowie hohe Kosten für die Erstausstattung, aber keinerlei Ressourcen für nachhaltige Nutzung und den Funktionserhalt. Ist das so teuer, weil hier das Rad neu erfunden werden muss ? Warum greift man nicht auf Unternehmen zurück, die sich auf diesen Markt spezialisiert haben und schon viele Referenzen vorweisen können ?

Natürlich fragen wir uns auch, warum viele Dinge nur so schleppend und unzureichend umgesetzt werden können. Nachdem die „schlanke Verwaltung“ während der Jahre der Haushaltssicherung nur den Mangel verwaltet hat, fehlen nun die personellen Ressourcen, die jetzt notwendigen Veränderungen umzusetzen und die notwendigen Investitionsprojekte effektiv umsetzen zu können. Und leider ist nicht abzusehen, das sich die Lage bessern wird. Weitere erfahrene Mitarbeiter werden bald in den Ruhestand gehen und Nachwuchskräfte mit Potential verlassen die Verwaltung. Ein Plan zurm nachhaltigen Personalaufbau entsprechend den anstehenden Aufgaben und zur Entwicklung und Gewinnung neuer Führungskräfte ist dringend nötig, um handlungsfähig zu bleiben.

Wir müssen uns alle bewusst werden, dass die Sicherung der Zukunftsfähigkeit sowohl im globalen Kontext als auch lokal in unserer Stadt nicht zum Nulltarif zu haben ist. Wer das verspricht, wer auf notwendige, langwierige Analysen oder lediglich auf technische Entwicklungen in der Zukunft verweist, statt jetzt zu handeln, handelt grob fahrlässig.

Die Haushaltsberatungen in den Ausschüssen haben gezeigt, das es der Ratsmehrheit bei der Ablehnung des Antrags zum Klimanotstand nicht wie behauptet um die Vermeidung des zwiespältigen Begriffs „Notstand“ ging, sondern dass man einfach beim „weiter wie bisher“ bleiben will. Einfach ein bisschen Prosa aus unseren Anträgen als strategisches Ziel in den Haushalt zu übernehmen, ohne dass auch entsprechende Mittel im Zahlenwerk eingeplant werden, reicht uns nicht. Wir werden daher den Haushalt 2020/21 ablehnen.

Uwe Jansen