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Haushaltsrede 2023

Bündnis90/DIE GRÜNEN im Rat der Wallfahrtsstadt Werl

Auch in diesem Jahr möchte ich meine Rede mit einem Dank an die Verwaltung für die Unterstützung der Gremienarbeit und die Umsetzung der Beschlüsse beginnen. Insbesondere die Geduld, hier teilweise bis nach 22:00 mit uns auszuharren, bedarf besonderer Erwähnung. In Zeiten, in denen wir von einer Krise in die nächste geraten, macht sich jedoch die knappe Personalausstattung immer mehr bemerkbar. Daher ein besonderer Dank an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die hier besonderen Einsatz, z.B. für die Unterbringung der Geflüchteten aus der Ukraine, gezeigt haben. Zur allgemeinen Personalsituation aber später mehr. Die Aufstellung des Haushalts 2023 ist durch die aktuelle Situation mit vielen Unsicherheiten behaftet. Wir wissen nicht, ob diesen Winter noch eine heftige Corona-Welle oder ein andere, bedrohliche Infektionswelle zu erwarten ist. Auch die Lage in der Ukraine, weitere daraus resultierende Fluchtbewegungen sowie Einschränkungen für unsere Energieversorgung sind nicht seriös vorhersagbar. Ebenso wenig ist die weitere Entwicklung der Kreditzinsen planbar. Sicher ist nur, dass wir in 2023 zumindest einen großen Teil unserer Rücklagen aufbrauchen werden. Dass sich das heute noch nicht in unserem Haushalt spiegelt, ist lediglich den neuesten Innovationen in der Buchhaltung, wie „Sondervermögen“ und „Vorgaben zur Isolierung Coronabedingter Mehrausgaben“ verdanken, die auf Bundes- und Landesebene entwickelt wurden. Aber auch das Bewusstsein, dass wir eigentlich schon längst tiefrote Zahlen schreiben, darf nach unserer Sicht aber nicht zu einem Stillstand in der Politik, insbesondere bei den Klimaschutzmaßnahmen führen. Ich würde gerne noch auf die Kreisumlage und die Jugendamtsumlage eingehen, aber diese Zahlen liegen derzeit noch nicht vor. Trotz der schwer überschaubaren Finanzlage der Stadt hätten wir den Bürgern gerne über eine moderate Senkung des Hebesatzes für die Grundsteuer B signalisiert, dass die Zeit der Haushaltskonsolidierung, für die der Satz einst erhöht wurde, nun vorbei ist. Außerdem werden mit der Erschließung weiterer Bau- und Gewerbegebiete mehr und mehr Flächen mit der Grundsteuer B belastet und so Mindereinnahmen teilweise kompensiert. Die meisten anderen Pateien habe ihre früheren Versprechungen hierzu anscheinend vergessen.

Zu den kommunalen Werler Aktivitäten zum Klimaschutz möchte ich einen Vergleich mit der Reformbewegung in der katholischen Kirche, dem synodalen Weg, heranziehen. Der Theologe und Kirchenrechtler Norbert Lüdecke äußerte sich kürzlich wie folgt: „Die erträumten Reformen sind in der katholischen Kirche gar nicht möglich. Das bleibt ein Rundweg, den die Bischöfe angelegt haben, um Widerständigkeiten zu ermüden.“ Nun lassen Sie mich dies auf den Klimaschutz in Werl übertragen.:

  • In dieser Wahlperiode haben wir erstmals einen Umwelt- und Klimaauschuss. Hierzu wurden Themen aus dem bisherigen Planungs-, Bau- und Umweltausschuss herausgelöst. Die Entscheidung über die Vergabe des Werler Umweltpreises ist aber die einzige, die hier wirklich getroffen werden kann. Alle anderen wichtigen Entscheidungen sind in der Zuständigkeit des bisherigen Ausschusses verblieben.
  • Wir haben jetzt auch einen Klimamanager, aber dieser hat ähnlich wenig Einflussmöglichkeiten wie der Umwelt- und Klimaausschuss. Alle aktuellen Planungen setzen nach wie vor auf den motorisierten Individualverkehr und priorisieren Geldflüsse in den städtischen Haushalt gegenüber der Vermeidung von Treibhausgasen und der Klimafolgenanpassung.
  • Für das Nahversorgungszentrum am Bahnhof haben wir sowohl auf dem Gelände selbst als auch bei den Zufahrten eine nahezu vollständig an die Bedürfnisse des Autoverkehrs angepasste Planung. Alle Vorschläge, hier Fußgänger und Radfahrer mehr zu berücksichtigen, wurden mit Hinweis auf die Interessen der Investoren verworfen.
  • Bei der Planung des Wohngebietes Werl Nord III setzt die Stadt auf Lösungen mit elektrischen Wärmepumpen, obwohl eine Leitung des Biomasse-Heizkraftwerks der STEAG unmittelbar unter dem Langenwiedenweg am Gebiet vorbeiläuft. Gerade mit Blick auf die jüngsten Steigerungen beim Strompreis ist dies auch aus der Sicht der potentiellen Käufer eine sehr fragwürdige Entscheidung.
  • Das Wohngebiet Werl Süd II wurde reichlich mit öffentlichen Parkplätzen ausgestattet. Aber der Wunsch nach einem drittem Baum im öffentlichen Raum führt schon zu langwierigen Diskussionen.
  • Die Planung von Standorten für Windenergieanlagen im Stadtgebiet, im vergangenen Jahr von der CDU in den Haushalt eingebracht, wird nun, mit Verweis auf kommende Veränderungen an den übergeordneten Vorgaben, auf die lange Bank geschoben.
  • Die Planung von Freiflächen-PV im Gewerbegebiet, sowohl durch private als auch durch die Stadtwerke erscheinen als Bekenntnis zum Klimaschutz. Aber wenn wir solche Anlagen im Gewerbegebiet einrichten, zieht das zwangsläufig die Forderung nach Erschließung neuer Gewerbegebiete nach sich. Viel besser wären hier Maßnahmen, die die Nutzung bisher brachliegender Dachflächen vorhandener Gebäude fördern.
  • Statt bereits konkrete Maßnahmen im Rahmen der laufenden Planung umzusetzen wird immer wieder auf die – nach Möglichkeit geförderte - Erstellung von Konzepten gesetzt. Langfristig durchdachte Planungen sind wichtig, aber davon darf man sich nicht davon abhalten lassen, ohne Zweifel sinnvolle Maßnahmen sofort umzusetzen. Jeder, der sich ernsthaft um Klimaschutz bemüht, muss auch hier den Eindruck haben, der Sinn des Ganzen sei auch nur, ihn und seine Mitstreiter zu zermürben und auf einem Rundweg zu ermüden.

Nun noch einige Aspekte zur Ausgabenseite und zur Umsetzung von Planungen. Wir wundern uns sehr häufig, wieso im Laufe des Jahres immer wieder Mehrausgaben auftreten und andererseits auch immer wieder Mittel gefunden werden, diese Mehrausgaben zu decken. Lassen Sie mich mit dem Zweiten beginnen. Ganz oft heißt es, Geld aus einem Vorhaben steht für etwas anderes zur Verfügung, weil die Maßnahme im laufenden Haushaltsjahr nicht mehr umgesetzt werden kann. Das kann natürlich passieren. Wir wundern uns aber schon, wenn solche Projekte in vollem Bewusstsein in den Haushalt eingestellt werden, etwa am Beispiel der Kämperstraße, bei der die Straßendecke im städtischen Haushalt für 2023 geplant wird, während der Kanal dort laut Planung des Kommunalbetriebs erst 2024 gebaut wird. Die Mehrausgaben bei Bau- oder Abbruchvorhaben resultieren zum Teil aus Materialkostensteigerungen, die jeden Bauherrn treffen, zum Teil aber auch aus unzureichenden Planungen oder aus dem überraschenden Fund von belastenden Materialien oder schützenswerten Tieren. Wir würden uns hier ausreichend Personal für bessere Planung und Vergabe sowie für Kontrolle und Verhandlungen mit den Auftragnehmern wünschen, um zu vermeiden, dass wir hier „über den Tisch gezogen“ werden. Neben den Abbrucharbeiten scheint auch die kommunikationstechnische Ausstattung von Schulen, etwa zur Versorgung mit WLAN oder Lautsprecheranlagen, die auch für Notfälle ausgelegt sind, ein Feld zu sein, in dem wir über unzureichende eigene Ressourcen verfügen. Wenn die Planstellen da sind, müssen wir uns fragen, warum es nicht gelingt, diese adäquat zu besetzen. Und wenn dies nicht gelingt, müssen wir Prioritäten setzen und vielleicht auch mal auf das ein oder andere Förderprojekt verzichten, wenn es zu viele Ressourcen bindet und die Kostensteigerungsrisiken zu 100% bei uns bleiben.

Die Diskussionen im vergangenen Jahr und die Haushaltsberatungen in den Ausschüssen haben gezeigt, dass die Ratsmehrheit nicht zu durchgreifenden Veränderungen bereit ist, weder in Sachen Klimaschutz und Klimaresilienz noch hinsichtlich einer Stärkung der Verwaltung. Wir werden daher den Haushalt 2023 ablehnen. Es gilt das gesprochene Wort.

Uwe Jansen